In den ersten Wochen der Pandemie richteten sich die Gemeinden, wenn auch widerwillig, in diesem Zustand ein. Außenstehende, die nicht in unserer Liturgie beheimatet sind, hätten annehmen können, dass die Ministrantinnen und Ministranten nie existiert hätten und auch nicht notwendig wären. Auch die Kinder und Jugendlichen hatten sich mit der neuen Situation abgefunden. Manche vermissten zwar die Gemeinschaft, aber fügten sich dem Gebot der Stunde „zu Hause zu bleiben und Abstand zu halten“.
Nach und nach regten sich jedoch in unseren Gemeinden Initiativen, um die Ministrantinnen und Ministranten nicht zu verlieren. Die Angst, dass sich die Kinder und Jugendlichen von den Gemeinden entfremden könnten, motivierte Haupt- und Ehrenamtliche, Kontakt zu den jungen Gemeindemitgliedern aufzunehmen.
Es wurden Ostergeschenke an die Jugendlichen verteilt und Sozialaktionen wie Einkaufsservice und Nachbarschaftshilfen gegründet. Die Ministrantinnen und Ministranten wurden wieder in das – wenn auch andere – Gemeindeleben eingebunden und dadurch in dem Bewusstsein gestärkt, dass sie gebraucht werden. Die eigentliche Aufgabe, der Dienst am Altar, war jedoch meist immer noch nicht möglich.
Sommermonate aufatmen
Als die Infektionszahlen zurückgingen und die Sommermonate einen Hauch an Normalität versprühten, trauten sich manche Gemeinden, die ersten Ministrantinnen und Ministranten auch wieder in der Liturgie einzusetzen. Mit viel Mühe, Kreativität und Einfallsreichtum wurden Hygienekonzepte erstellt und umgesetzt. Fragen kamen auf, wie z. B. „Kann das Virus über die Ministrantengewänder übertragen werden?“, auf die selbst Virologen keine Antwort kannten. Manche ließen sich davon abschrecken und setzten keine Ministrantinnen und Ministranten ein, andere tasteten sich langsam vor. Auch wenn nur in geringer Anzahl Kinder und Jugendliche ihren Dienst vollzogen, wurde wieder deutlich, dass „auch die Ministranten […] einen wahrhaft liturgischen Dienst [vollziehen].“ (SC 29)
Es gab viele Austauschrunden auf Dekanats- und Diözesanebene. Man schloss sich zusammen, um an den Erfahrungen der anderen partizipieren zu können und versuchte, in der Gemeinschaft die Angst zu überwinden und die Ministrantinnen und Ministranten wieder an den Altar zu lassen. Es wurden Videos gedreht, um mit möglichst wenig Kontakt die neuen Abläufe in der Liturgie, die durch die Hygieneauflagen notwendig geworden waren, zu zeigen.
Manche Kinder und Jugendliche kamen sofort wieder zurück, andere meldeten sich von ihrem Dienst ab und manchen war die Aufgabe noch zu unsicher. Diese Entwicklung weckte in vielen Haupt- und Ehrenamtlichen die Angst, dass die Ministrantinnen und Ministranten ganz wegbrechen könnten und nach der Pandemie, wann dies auch immer sein würde, keine Kinder und Jugendlichen mehr diese Aufgabe vollziehen möchten.
In diesen Tagen, in denen die Fallzahlen wieder gestiegen sind und wir gerade an allen Ecken und Enden gegen das weitere Ansteigen ankämpfen, erleben wir Frust und Resignation nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei den Verantwortlichen in der Ministrantenpastoral, bei den Eltern der Ministrantinnen und Ministranten und auch bei ihnen selbst. In manchen Gemeinden wird ein Bild gezeichnet, dass es sich nun nicht mehr rentieren würde, sich für die Jugendlichen zu engagieren, da sie bereits „verloren“ wären. Andere kämpfen und sehen aber keinen Erfolg und mit jedem Angebot sinkt die Motivation.
viel Kreativität
„Eher müssen wir Angst haben, wie gelähmt zu leben, wie lebendige Tote. […] Seid nicht wie abgestellte Autos, lasst lieber eure Träume aufblühen und trefft Entscheidungen. […] Geht bitte nicht schon vorzeitig in den Ruhestand.“ (CV 142-143) Mit diesen Worten richtet sich Papst Franziskus an die Jugendlichen in seinem nachsynodalen apostolischen Schreiben „Christus Vivit“. Wie treffend dieser Wunsch des Papstes, nicht nur für Jugendliche, in der jetzigen Zeit. Eine Ministrantin meinte: „Das bedeutet mir echt sehr, sehr viel“, als beim Ostergruß das Empfinden der Pfarrei ins Wort gefasst wurde, dass die Ministrantinnen und Ministranten der Gemeinde fehlen. Dadurch wurde deutlich, dass sie nicht vergessen sind, dass ihre Aufgabe auch nicht durch jemand anderen ersetzt werden kann. (1) Die Äußerung der Gefühle, Sorgen und Ängste zeigte den Ministranten das Vertrauen, das der Schreiber des Ostergrußes an die Kinder und Jugendlichen hatte.
Dass die Welt, die wir kannten, nach der Pandemie sicherlich eine andere sein wird, damit werden wir uns abfinden müssen. Die Erfahrungen des Sommers können aber auch positiv stimmen, als bei Sommerfreizeiten die Plätze schneller denn je ausgebucht waren und bereits bei kleinen Angeboten, bei denen in den Jahren zuvor keiner hinter der Playstation hervorgeholt worden wäre, Jugendliche sich gerne beteiligten.
In den bayerischen Ministrantenfachstellen und den Pfarreien zeigte sich viel Kreativität, damit möglichst bald wieder die Assistenz in der Liturgie möglich wurde. Es war nicht immer leicht, staatliche und bistumsweite Regelungen an die örtlichen Gegebenheiten anzupassen und die liturgischen Vorgaben zu berücksichtigen. Die Überlegungen haben sich aber ausgezahlt, da durch die Teilnahme der Kinder und Jugendlichen das zeichenhafte Geschehen der Liturgie wieder deutlich wurde und der Raum, über eine zu starke Konzentration auf den Priester hin, geweitet wurde. Gerade in den Zeiten, in denen die Gemeinde nicht mehr singen darf und mit Masken in den Bänken sitzt, wird durch die Ministrantinnen und Ministranten der dialogische Charakter der Liturgie und der kommunikative Aspekt des Geschehens wieder deutlich. Sie geben den Gemeinden aber auch Sicherheit, wenn diese die Gottesdienstroutine verloren haben, bzw. in Corona-Zeiten verstreut sitzen und sich dadurch unsicher fühlen. (2)
Zukunft entwickeln
Die Ministrantinnen und Ministranten sind nach diesen Monaten nicht mehr die, die wir noch 2019 vor uns hatten. Die Kinder und Jugendlichen haben eine Zeit erlebt, die viel von ihnen abverlangt hat. Manche benötigen Begleitung, um die Erfahrungen aufarbeiten zu können, manche brauchen Räume, in denen sie die erworbenen Erfahrungen anwenden können. Manche werden die Theodizeefrage stellen und Antworten von den Verantwortlichen erwarten. In den letzten Monaten sind Medienfachleute in den Ministrantenrunden herangewachsen. Ein Pfarrer meinte: „Ich bin so froh, dass ich meine Ministranten habe, denn sonst hätte es keinen Livestream gegeben!“ Diese brauchen auch in der Gemeinde nach der Pandemie eine Möglichkeit, sich ausdrücken zu können.
Wie sich die Zukunft der Ministranten in unseren Gemeinden entwickelt, kann heute noch keiner voraussagen. Es wird eine Kraftanstrengung kosten, dass sich die Gemeinden neu ausrichten und die Ministrantinnen und Ministranten wieder einen Platz erhalten. Erstrebenswert wäre es, dass durch die Pandemie eine Vertiefung der Liturgie möglich wird. Dass deutlich wird, was wirkliche „Communio“ bedeutet. Dass der Wunsch der Mutter Kirche, dass „[…] alle Gläubigen […] zu der vollen, bewussten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern geführt werden [möchten], wie sie das Wesen der Liturgie selbst verlangt. […]“ (SC 14), in Erfüllung geht. Dabei kann vertraut werden, dass sich Kinder und Jugendliche gerne bei der Gestaltung von Gemeinschaft engagieren, wenn die Partizipationsmöglichkeiten echt und für das jeweilige Alter angemessen sind, damit sie sich nicht unter-, aber auch nicht überfordert fühlen. Daher sagen wir, dass das Ministrieren nicht nur möglich, sondern auch nötig ist.
(1) vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Ministranten- und Ministrantinnenpastoral. Arbeitshilfe 141, Köln 1998, 11.
(2) vgl. die Dreiteilung des Ministrantendienstes in Assistenz, Kommunikation und Animation von Büsch Andreas (Hg.), Handbuch der Ministrantenpastoral, Düsseldorf 1999, 98ff
Der Artikel wurde in der Ausgabe Januar 2021 des Klerusblatts veröffentlicht. Weitere Infrmationen zum Klerusverband e. V. finden Sie auf der Homepage (hier klicken).